In dem vorliegenden Issue wird erläutert, was es mit der Furcht vor Homosexualität auf sich hat, welche Folgen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sowohl für den / die Einzelne*n als auch für die Gesellschaft haben kann und welchen Beitrag die OKJA zur Sensibilisierung unter Kindern und Jugendlichen leistet.
Ein junger Mann* wird am Abend am Bahnhof von einer Gruppe anderer Männer* als «Schwuchtel» beschimpft. Sie umringen ihn, werfen ihm weitere Beleidigungen an den Kopf. Schliesslich schlägt jemand zu. Am nächsten Tag ist in der Zeitung von einer «homophoben Attacke» zu lesen. Doch, worum genau ging es? Die Phobie (griech. phobos = Furcht) wird in der Psychologie als irrationale Furcht verstanden, welche einen «zwanghaften Wunsch nach Vermeidung auslöst» (Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2000). Bei einer Attacke auf eine homosexuelle Person wird jedoch der Kontakt nicht gemieden, sondern – im Gegenteil – aktiv gesucht. Die Verwendung des Begriffs ist daher, so zeigt es sich in den vielfältigen Artikeln zum Thema, umstritten. Einerseits bezieht sich «Homophobie» auf die Angst vor Abweichungen von der heterosexuellen Norm, welche zur Meidung des Kontakts mit homosexuellen Menschen bzw. des Themas an sich, führen kann. Andererseits bezieht sich der Begriff auf eine konkrete «feindselige aggressive Haltung» (Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen) gegenüber homosexuellen Menschen, die sich in Konfrontation und Gewalt äussert. Trotz der Uneinigkeit über die genaue Verwendung «hat sich [der Begriff, Anm. d. Aut.] Homophobie inzwischen vor allem im gesellschaftlichen Diskurs durchgesetzt» (Klocke 2014) und «fasst die verschiedenen Formen von sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung, Nichtwahrnehmung und Gewalt zusammen, mit denen Menschen oftmals auf Grund ihrer homosexuellen Lebensweise konfrontiert sind» (Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen).
Homophobie ist demnach besonders an zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen erkennbar: Angst und / oder Wut gegenüber homosexuellen Personen. Trotz der Unterschiedlichkeit des Verhaltens haben beide Formen oftmals denselben Ursprung: Die Unsicherheit über die eigene Identität (Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung 2014) und die Angst davor, «anders» oder «nicht normal» zu sein, wodurch man aus dem sozialen Gefüge «herausfallen» und nicht mehr dazugehören könnte.
Neben vielen anderen Aspekten tragen das Geschlecht eines Menschen und seine sexuelle Orientierung wesentlich zur Bildung der Identität bei (Belling 2004). Die sexuelle Orientierung bestimmt dabei, auf wen sich die Sexualität einer Person richtet (ebd.). Im Jugendalter gewinnt die Entwicklung der Identität ganz besonders an Bedeutung. Psyche und Körper verändern sich und aus Kindern werden Erwachsene. Diese Entwicklung hat auch sexuell vielfältige Ausprägungen, welche jedoch gesellschaftlich nicht abgebildet werden. Die gesellschaftliche Norm, welche Heterosexualität als «naturgegebene» bzw. «normale» sexuelle Orientierung festlegt, wird als «Heteronormativität» bezeichnet (Kleiner 2016). Heteronormativität kann dazu führen, dass Menschen mit einer davon abweichenden sexuellen Orientierung von anderen abgelehnt werden und sich somit ausgeschlossen fühlen. Zudem führt sie mitunter dazu, dass nicht-heterosexuelle Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht offen zeigen, sodass die Vielfalt sexueller Orientierungen gar nicht sichtbar wird. Nichtheterosexuelle Menschen werden noch immer als Minderheit betrachtet, als die wenigen «Abweichler*innen», obwohl dies nicht der Realität entspricht.
Homosexuelle Menschen stellen das gesellschaftliche Selbstverständnis von Sexualität (Heteronormativität) in Frage, woraus Unsicherheit entstehen kann (Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen). Um diesem Unwohlsein bzw. der Unsicherheit zu entgehen, reagieren manche Menschen ablehnend oder sogar homophob (ebd.). Die ablehnende Haltung gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen führt dazu, dass diese Personen Diskriminierungen ausgesetzt sind, was mitunter schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben kann. Neben verbalen und körperlichen Attacken werden homosexuelle und andere, nicht-heterosexuelle Personen, wiederholt mit negativen Stereotypen konfrontiert. Dies wirkt sich mitunter negativ auf die Selbstwahrnehmung der Betroffenen aus, was sich in ihrem Verhalten und Empfinden zeigt. Bspw. versuchen einige homosexuelle Menschen Diskriminierung auszuweichen, indem sie sich anpassen und vorgeben, heterosexuell zu sein, oder sie internalisieren Homophobie und sind kaum noch in der Lage, sich gegen Abwertungen zu wehren (Belling 2004).
Aufgrund der zum Teil schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen wurde die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung Ende 2018 in die Antirassismus-Strafnorm (Artikel 261, Strafgesetzbuch) aufgenommen (Romy 2018). Dagegen wurde jedoch ein Referendum ergriffen, wodurch es am 09. Februar 2020 zu einer Abstimmung kam. Das schweizerische Volk stimmte mit 63% der Erweiterung des Strafrechts zu, sodass nun gegen Homophobie strafrechtlich vorgegangen werden kann (Dokumentation Parlamentsbibliothek). Eine strafrechtliche Verfolgung von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität ist jedoch weiterhin nicht möglich, da diese von der Legislative als ein zu schwer fassbares Konzept eingestuft wurde (ebd). Die Geschlechtsidentität «bezeichnet die innere Überzeugung oder das Bewusstsein, einem Geschlecht anzugehören» (Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2000). Intergeschlechtliche Menschen und Transmenschen besitzen bspw. eine Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmale und / oder einen Geschlechtsausdruck, welche, ebenso wie die Homosexualität, nicht mit der Heteronormativität zu vereinbaren ist. Dies kann dazu führen, dass diese Menschen ebenfalls unter Diskriminierungen leiden. Im Issue-Dossier «LGBTIQ*» des Verbands voja wird dieses Thema eingehender behandelt.
Durch die offene Thematisierung von Fragen zur Identität und sexuellen Orientierung wird:
Die soziale Integration der Jugendlichen gefördert, da die Vielfalt sexueller Orientierungen als selbstverständlich und tabubefreit erlebt wird und somit Akzeptanz gelernt werden kann.
Die Sozialisation der Jugendlichen gefördert, da sie sich in Bezug auf Identität und Sexualitätmit den Normen und Werten der Gesellschaft auseinandersetzen sowie deren Vielfalt kennenlernen können.
Die Gesundheit der Jugendlichen gefördert, da das Bewusstsein für den eigenen Körper und die eigenen Wünsche und Vorlieben sowie das Wissen über die Sexualorgane und biologischen Prozesse des menschlichen Körpers gestärkt werden können.
*Verordnung über die Angebote zur sozialen Integration, Kanton Bern (ASIV)
ABQ ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Pro Schuljahr führt ABQ in den Kantonen Bern, Freiburg und Jura ungefähr 35 Schulbesuche durch. ABQ bietet in den genannten Regionen vergleichbare Workshops zu den Themen Homo- und Bisexualität sowie Transgender an.
ABQ Schulprojekt
Kirchbergstrasse 10
3008 Bern
https://abq.ch/index.php/dasschulprojekt
Die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich, die OJA (Offene Jugendarbeit) Zürich und die Beratungsplattform «du-bist-du» haben gemeinsam ein Projekt gegen Homo- und Transphobie unter Jugendlichen im Freizeitbereich entwickelt.
Ziele des Aktionsmonats:
LIKEEVERYONE!
Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich
Tel.: +41 (0)44 412 48 68
www.likeeveryone.ch
Der nächste Aktionsmonat findet voraussichtlich im Mai 2021 in der Stadt Bern statt:
https://likeeveryone.ch/stadt-bern/
Das NCBI-Workshop-Programm hat das Ziel, Homo- und Bisexualität zu thematisieren und zu enttabuisieren. Es ist wichtig, über die sexuellen Vorlieben anderer Menschen keine Vermutungen anzustellen. Jede*r hat das Recht sich selbst zu sein.
NCBI
Werner Baumann
Tel.: 044 242 77 74
Email: werner.baumann@ncbi.ch
https://www.ncbi.ch/de/projekte/homophobie/
Mit dem Projekt «Mannsbilder» erhalten Jungen die Möglichkeit, sich mit ihren Fragen, Erwartungen und Phantasien zum Mannsein persönlich und mit kreativen Mitteln auseinander zu setzen und die Ergebnisse als Ausstellung der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Projekt «Mannsbilder»
Robi Müller
Kinder- und Jugendfachstelle Ittigen
Fischrainweg 10, 3048 Worblaufen
Tel. +41 (0)31 925 23 82
Email: robi.mueller@kijufa.ch
Bietet Infos und Material:
https://www.kijufa.ch/ittigen/projekte/projekt-mannsbilder/
Die Milchjugend ist die grösste Jugendorganisation für lesbische, schwule, bi, trans, inter und asexuelle Jugendliche und für alle dazwischen und ausserhalb. Mit der Milchjugend werden Räume geschaffen, um Kontakt und Austausch zwischen Jugendlichen zu ermöglichen, die sich mit heteronormativen Geschlechter-, Sexualitäts- und Beziehungskonzepten nicht identifizieren wollen. Ziel aller Aktivitäten der Milchjugend ist es, die emanzipatorische Selbstfindung zu unterstützen, gesellschaftliches Engagement zu ermöglichen und die Selbstbehauptung zu stärken.
Milchjugend
Vereinsadresse
8000 Zürich
Email: info@milchjugend.ch
https://milchjugend.ch/
Seit gut zehn Jahren ist das Projekt «Schule der Vielfalt» gegen Homophobie aktiv. Dabei geht es darum, dass Schüler*innen ihre Sexualität angstfrei leben können. Aus diesem Grund werden Themen wie das «Coming-out» und Homosexualität aktiv im Unterricht thematisiert.
Schule der Vielfalt (Deutschland)
Frank G. Pohl, Landeskoordinator
Schule der Vielfalt (Fachberatungsstelle)
E-Mail: kontakt@schule-der-vielfalt.de
http://www.schule-der-vielfalt.de/