Kinder und Jugendliche sind in ihrer Entwicklung abhängig und beeinflussbar von ihrem sozialen Umfeld. Geprägt wird dieses soziale Umfeld zunehmend von den sozialen Netzwerken. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden liegen viele Herausforderungen vor ihnen, u.a. die (Weiter-)Entwicklung der Geschlechts*identität, welche die sexuellen Orientierungen und die körperlichen Geschlechts*variationen meint. Die grosse Relevanz des Themas zeigt sich auch in der Politik: am 9. Februar 2020 stimmte die Schweizerstimmbevölkerung einer Initiative zu, welche die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet. Im Issue LGBTQIA+ wird insbesondere auf die Definitionen von sexuellen Orientierungen und Geschlechts*identitäten sowie die Aufgaben und Leistungen der OKJA innerhalb des Themas eingegangen. Ziel ist es, Fachpersonen und Bezugspersonen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen dafür zu sensibilisieren sich (weiter) mit der Thematik «LGBTQIA+» auseinanderzusetzen und sich (weitere) Handlungskompetenzen anzueignen.
Das Zeichen Asterisk* hinter «Geschlecht*» steht für das Verständnis, dass Geschlecht* eine Konstruktion ist und dass vielfältige Geschlechter* existieren.
Definitionen
Der Begriff LGBT (später entwickelte sich daraus LGBTQIA+) bildete sich in den 1990er Jahren in den USA und etablierte sich ca. 10 Jahre danach in Europa. Die Bezeichnung zielt darauf ab, dass Menschen, welche nicht der konstruierten Norm «cis*-heterosexuell» entsprechen, einen Namen erhalten. Mit den klaren Bezeichnungen soll eine öffentliche Gleichberechtigung erlangt werden.
5-10% der Schweizer Bevölkerung gehören aufgrund ihrer Identität, ihrer Lebensweise oder ihren körperlichen Merkmalen zu einer sexuellen oder geschlechtlichen* Minderheit. Fehlende positive Rollenmodelle und die Angst vor Gewalt und Diskriminierung führt bei LGBTQIA+-Menschen zu einer chronisch hohen Stressbelastung (vgl. auch sog. Minderheiten-Stress-Modell (Plöderl 2016)). Die Folge davon sind deutlich höhere gesundheitliche und psychische Belastungen wie Angst, Depression, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Einsamkeit, Selbstwertprobleme oder risikoreiches Suchtverhalten. LGBTQIA+-Menschen berichten auch häufiger über soziale Belastungen wie Mobbingerfahrungen in der Schule oder am Arbeitsplatz oder Zurückweisung durch die Herkunftsfamilie. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass homo- und bisexuelle junge Frauen* und Männer* in einer repräsentativen Schweizer Studie fünfmal häufiger angaben, einen Suizidversuch begangen zu haben als ihre heterosexuellen Gleichaltrigen (Gesundheitsförderung Schweiz 2017).
LGBTQIA+-Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die von ihrer Familie und ihrem Umfeld Unterstützung erfahren und sozial gut integriert sind, entwickeln sich genauso gesund und sind genauso leistungsfähig wie ihre cis*-heterosexuellen Gleichaltrigen (Definition «cis*»: wenn Menschen sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht* identifizieren können, werden diese als «cis*» bezeichnet.) Die OKJA kann einen Beitrag dazu leisten, dass ein solches Umfeld gefördert wird. Welche Angebote und Hand lungsmöglichkeiten sie hat, wird in den Abschnitten 4-8 (S. 7-11) verdeutlicht.
Im Folgenden wird, in Anlehnung an das Lexikon von «du-bist-du» (SEGZ 2020), beschrieben, wofür die sieben Buchstaben sowie das «+»-Zeichen stehen. Zum Verständnis: das Lexikon verwendet die deutschsprachigen Ausdrücke, die Abkürzung entsteht aber aufgrund der englischen Sprache.
Das «Gender Unicorn» (TSER 2023) stellt die genannten Definitionen / Zusammenhänge bildlich dar:
Kinder- und jugendgerechte Rahmenbedingungen: Die OKJA schafft in ihrem Handlungsspielraum offene Sozialräume für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in welchen geschlechter*- reflektierte Sozialisation stattfinden kann.
Soziale, kulturelle, politische und berufliche Integration: Die OKJA stellt sicher, dass Kinder, Jugend- liche und junge Erwachsene an verschiedenen Angeboten und Projekten uneingeschränkt teilneh- men und dadurch Integration und Offenheit erfahren können.
Stärkung der Jugendkultur: Die OKJA ermöglicht experimentelle Erfahrungsräume für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, in welchen sie sich mit ihren eigenen sexuellen Orientierungen und Geschlechts*identitäten auseinandersetzen und dadurch im Selbstwert gestärkt werden können.
Gesundheitsförderung und Prävention: Die OKJA fördert mit ihrer Offenheit gegenüber Menschen mit vielfältigen sexuellen Orientierungen und Geschlechts*identitäten das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und zielt dabei auf die Selbstbestimmung, welche die persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten stärkt.
Mitwirkung: Die OKJA plant und gestaltet Angebote für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der LGBTQIA+ - Community und bezieht sie dabei selbstverständlich, stufengerecht und echt mit ein.
du-bist-du fördert durch Peer-Beratung, Wissensvermittlung und Workshops für Fachpersonen, die mit jungen Menschen arbeiten, die psychische und physische Gesundheit von jungen LGBTQIA+-Menschen sowie von jungen Menschen, die sich ihrer sexuellen und / oder romantischen Orientierung und / oder Geschlechts*identität nicht sicher sind. Zudem besuchen Fachpersonen von du-bist-du auch Jugendtreffs für Themenabende.
Kanzleistrasse 80
8004 Zürich
info@du-bist-du.ch
https://du-bist-du.ch
Einmal im Monat findet im Modi*-Treff PUNKT 12 der Treff Kunterbunt statt, bei dem Menschen aller Geschlechts*identitäten willkommen sind. Gemeinsam werden Spiele gespielt, Filme geschaut, Erfahrungen ausgetauscht und interessante Diskussionen geführt.
Jurastrasse 1
3013 Bern
info@kunterbunt-bern.ch
https://www.kunterbunt-bern.ch/
«King Kong» ist ein schweizweites Format, das regelmässig in verschiedenen Schweizerstädten stattfindet. Die Party richtet sich an LGBTQIA+ - Menschen und deren Freund*innen / Community.
Sandrainstrasse 25
3007 Bern
Tel.: 031 372 49 00
info@gaskessel.ch
www.gaskessel.ch
Die Milchjugend ist die Jugendorganisation für lesbische, schwule, bi, trans* und asexuelle Jugendliche und für alle dazwischen.
8000 Zürich
info@milchjugend.ch
https://milchjugend.ch/#home2
Die von Kinderschutz Schweiz geförderten und ausgestalteten Parcours «Mein Körper gehört mir» und «Love Limits» wurden neu gestaltet und verschiedene Geschlechts*identitäten einbezogen. Die Parcours sind Präventionsangebote, um Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu schützen.
Schlösslistrasse 9a
3008 Bern
Tel.: 031 384 29 29
info@kinderschutz.ch
Weblink
LGBTQIA+-Themen im Jugendtreff / in der Organisation sichtbar machen. Queerness mit Migrationsthemen verbinden / diskutieren.
info@cohu-webseries.com
https://cohu-webseries.com/episodes/
Die Broschüre beantwortet viele rechtliche Fragen aus dem Alltag von LGBTQIA+ - Personen und ist ein hilfreiches Nachschlagewerk für Interessierte, Fachpersonen oder Betroffene.
Junkerngasse 47
Postfach
3000 Bern 8
Tel.: 031 321 62 99
gleichstellung@bern.ch
https://www.bern.ch/gleichstellung
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