Der Wunsch nach «Party»
Das vorliegende Issue geht von dem Grundgedanken aus, dass Jugendliche ihre Freizeit mit Gleichaltrigen bzw. Peers verbringen wollen und (Frei-)Räume brauchen, um sich zu verwirklichen (s. Deinet, 2005; Böhnisch, 2012). Freiräume setzen sich unter anderem zusammen aus verfügbarer Zeit, zugänglichen Räumlichkeiten für sich und für andere Jugendliche und der Möglichkeit, diese Zeit und Räume selbstbestimmt zu bespielen (Peyerl & Züchner, 2020). Eine beliebte und einfache kulturelle Ausdrucksweise von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche zu diesem Verständnis von Frei-raumnutzung passt, sind Events / Veranstaltungen wie Partys. Dabei geht es darum, sich in einem ungezwungenen bzw. ausgelassenen Rahmen zu treffen, sich zu zeigen, Beziehungen zu pflegen oder neu zu knüpfen und nicht zuletzt darum, die eigene Identität und Gefühle von Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu entwickeln (Sichelschmidt, 2014).
Die OKJA als Akteurin
Offene Kinder- und Jugendarbeit verfolgt unter anderem die Prinzipien der Lebensweltorientierung und der Partizipation (DOJ, 2018) und will Jugendliche dabei unterstützen, ihr Lebensumfeld und insbesondere ihre Freizeit selbst zu gestalten. Daher ist die Thematik Jugendliche als Partyveranstalter*innen für die OKJA zentral. Jugendliche sollen ihre Kultur selbst mitgestalten und dabei Selbstwirksamkeit erleben. Dazu soll eine schrittweise Übernahme von Verantwortung erlernt werden, wobei die Fachpersonen der OKJA professionelle Unterstützung bieten können. Zudem haben Veranstaltungen innerhalb eines Gemeinwesens eine gewisse Strahlkraft; Jugend(kultur) wird verstärkt wahrgenommen. Auch hier hat OKJA als professionelle Akteurin in der Freizeitgestaltung von Jugendlichen eine spezifische Rolle.
Das Issue dient als Orientierung für Jugendarbeitende, weitere Fachpersonen, Gemeinden, Institutionen sowie Eltern bzw. Erziehungsberechtigte, die Jugendliche bei diesem Prozess begleiten. Ziel ist es, nebst einer gelungenen Party auch (soziale) Kompetenzen, Interessen und Fähigkeiten der Jugendlichen zu entwickeln, zu fördern und zu stärken.
Risikokompetenzen aneignen – das Handlungsmodell «risflecting©»
Im Zusammenhang mit Veranstaltungen wie Partys ist die breite Thematik unterschiedlicher Risiken zentral: Ausgelassenheit kann ganz allgemein zu nachlassender Vorsicht führen, im Kontext von Partys sind insbesondere auch Gruppendynamiken, zunehmende Müdigkeit oder Veränderungen in Wahr-nehmung und Verhalten aufgrund von Substanzkonsum (Alkohol, Tabakwaren und weitere Substan-zen) zu nennen. Um die Thematik des Umgangs mit Risiken zu bearbeiten, bietet sich folgendes Modell an, welches sowohl in Einrichtungen der ausserschulischen Arbeit mit Jugendlichen, aber auch in der Suchtprävention zunehmend Einzug hält:
Das pädagogische Handlungsmodell «risflecting©» befasst sich mit der Entwicklung von Rausch- und Risikobalance. Risiko meint hier die Verbindung von Ungewissheit und Bedeutsamkeit, die mit einem Ereignis einhergehen und zur Auseinandersetzung mit ihm und seinen Folgen auffordert. Unter Rausch wird eine prozesshafte Veränderung sinnlicher und sozialer Wahrnehmung, also von Eindrücken, Emotionen, Grenzen und Konventionen verstanden. Das Modell beschreibt einen konkreten Ablauf, der auf die Begleitung von Jugendlichen als Party- bzw. Eventveranstalter*innen angewendet werden kann. Es zielt auf die Aneignung von (Risiko-)Kompetenzen, die (Selbst-)Reflexion und das soziale Miteinander (Achtsamkeit, Respekt, Wahrnehmung, Übernahme von Verantwortung etc.) ab und will Menschen dazu befähigen, Risiken als solche zu erkennen und analysieren zu können. Die Risikokompetenz soll daraufhin die Entscheidung unterstützen, ob ein Risiko eingegangen wird oder nicht. Um diese Kompetenzen entwickeln zu können, bedarf es grundsätzlicher intellektueller, sozialer und emotionaler Fähigkeiten. Diese zu bilden, ist Ziel der Pädagogik, Gesundheitsförderung und ein wichtiger Teil der Begleitung von Jugendlichen als Party- bzw. Eventveranstalter*innen. Gemäss diesem Handlungsmodell geht es bei der Begleitung von Jugendlichen als Partyveranstalter*innen um die Entwicklung einer «Festkultur», die Vor- und Nachbereitung (Reflexion) solcher kollektiven Erlebnisse, denn «ein Fest ist so gut wie seine Vorbereitung» (Koller 2005).
Altersunterschiede und rechtliche Grundlagen
In der Thematik ist es wichtig, zwischen Minderjährigen bzw. Jugendlichen und jungen Erwachsenen über 18 Jahren als Event- bzw. Partyveranstalter*innen zu differenzieren, da es einen Unterschied macht, wie viel Verantwortung einem 13-jährigen Jugendlichen im Vergleich zu einer 18-Jährigen oder älteren jungen Erwachsenen übertragen wird. In jedem Fall (auch altersunabhängig) gilt es, die Entwicklung der betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu berücksichtigen und das Mass an Verantwortungsübertragung angemessen festzulegen. Auch Minderjährige sollen Verantwortung übernehmen – nur so können sie es lernen! Bei Veranstaltungen mit minderjährigen Verantwortlichen stellen die Fachpersonen der OKJA in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten sicher, dass sowohl geltendes Recht eingehalten wie auch die (engere) Begleitung der Jugendlichen (inkl. allfälliger Präsenz Erwachsener) sichergestellt wird.
Als rechtliche Grundlage gelten in jedem Fall die Jugendschutzbestimmungen nationaler, kantonaler und kommunaler Gesetze und Verordnungen, dazu die entsprechenden Erlasse zu Lärmemissionen, allfälligen erforderlichen Bewilligungen (z.B. Ausschank, Betriebszeiten) usw.
Selbstständige und verantwortungsbewusste Lebensführung: Jugendliche und junge Erwachsene als verantwortungsvolle Partyveranstalter*innen wahrzunehmen, heisst, ihnen die Möglichkeit zu bieten, Erfolge zu erleben sowie zu feiern und stärkt sie in ihrem Selbstwertgefühl.
Soziale Integration und Mitwirkung: Das soziale Lernen wird gefördert. Jugendliche bzw. junge Erwachsene dürfen mitwirken, sich einbringen und ihre Bedürfnisse umsetzen.
Stärkung der Jugendkultur: Die offene Kinder- und Jugendarbeit schafft Erfahrungsräume für Jugendliche bzw. junge Erwachsene und unterstützt sie bei kulturellen Aktivitäten. Sie fördert damit Experimentierfelder zur Selbstfindung, Selbstdarstellung und Selbstdeutung.
Die OKJA kann Jugendliche auf vielfältige Weise begleiten, u.a. indem sie Unterstützung beim Planen, Organisieren und Durchführen von Partys und Events anbietet und Jugendliche darin fördert, eigenständig etwas auf die Beine zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig spielt sie auch eine wichtige Rolle in der Vernetzung im Gemeinwesen und dabei in der breiten Abstützung von jugendkulturellen Veranstaltungen. Insbesondere leistet die OKJA Unterstützung in den folgenden Bereichen:
Ansprechstelle, Begleitung und Beziehungspflege
Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Realisierung ihrer Ideen zu Veranstaltungen, Events und Partys. Begleitung von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen vor, während und nach der Veranstaltung – Von der ersten Idee bis zur Nachbearbeitung.
Abstützung und Akzeptanz im Gemeinwesen
Unterstützung der Zusammenarbeit / Vermittlung zwischen Jugendlichen, Gleichaltrigen, Erziehungsberechtigten, Anwohner*innen und Gemeindevertreter*innen. Spezifische Unterstützung bei Vorinformationen (insb. Anwohner*innen), im Bewilligungswesen (Gemeinde) sowie in Konfliktfällen. Zur Verfügung stellen von Ansprechpersonen während des Anlasses (verantwortliche Jugendliche und / oder Erwachsene, allenfalls Fachpersonen).
Zugang zu geeigneten Räumlichkeiten
Vermietung resp. Überlassen von Jugendräumen, Partyräumen o.ä. an Jugendliche und junge Erwachsene auf der Basis bestehender Vermietungs- / Nutzungskonzepte und entsprechender Begleitung. Unterstützung in der Suche und Erschliessung von weiteren Räumlichkeiten bei Bedarf.
Bildung und Begleitung von Betriebsteams
Vermittlung und Einüben von Kompetenzen zur Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, Verantwortungsübernahme, Kommunikation mit Behörden, Verwaltung und Anwohner*innen, Durchsetzung von Vereinbarungen und Regeln gegenüber Gleichaltrigen. Auf die Jugendlichen abgestimmte situative Schwerpunktsetzung und Begleitung inklusive Nachbesprechungen / Reflexion. Zur Verfügung stellen von Ansprechpersonen für Jugendliche.
Notfallkonzept und Umgang mit schwierigen Situationen
Bereitstellung eines Notfallkonzepts (und / oder: Konzept zu Risiko- / Krisenmanagement) mit Vorgaben zum Verhalten in schwierigen Situationen und Notfällen. Darin enthalten ist das Bewusstsein der Fachpersonen über mögliche Risikofaktoren und adäquate Vorgehensweisen und dessen regelmässige Reflexion. Aufarbeitung von schwierigen Situationen mittels Gesprächen aller Beteiligten sowie teamintern mittels Inter- und Supervision.
Als Reaktion auf den Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen / jungen Erwachsenen schenkte die Jugendarbeit Köniz (juk) an drei Anlässen für Gäste ab 16 Jahren kontrolliert Bier aus. Auf Grundlage ihrer Erfahrungen und einer Auswertung formulierten die Jugendarbeitenden der juk Empfehlungen für die Planung und Durchführung solcher Veranstaltungen. Einen wichtigen Aspekt stellt die Sicherheit vor Ort dar: Die Polizei sollte in jedem Fall über die Durchführung informiert werden sowie ein Risiko- und Krisenmanagementkonzept vorhanden sein.
Stapfenstrasse 13
3098 Köniz
031 970 95 69
andreas.wyss@koeniz.ch
www.juk.ch
Der Schlussbericht zum Pilotversuch Umgang mit Alkohol an Anlässen kann direkt bei der juk angefordert werden.
Auf Initiative mehrerer junger Erwachsener wurde eine Partyreihe für über 16-jährige aus der Region ins Leben gerufen. In Begleitung der Jugendarbeitenden fanden mehrere gut besuchte Anlässe statt. Die involvierten jungen Erwachsenen übernahmen als «Betriebsgruppe» nach und nach mehr Aufgaben, zu denen u.a. die Raumreservation, Dekoration und Reinigung, Information der Anwohner*innen, Einholen von Überzeit- und Ausschankbewilligungen, Bestellung und Ausschank von Getränken, Buchung und Betreuung von Bands sowie Werbung und Organisation des gesamten Betriebs gehörten.
Standort Schwabu
Bernstrasse 9
3150 Schwarzenburg
031 731 26 00 / 079 307 82 14
fachstelle@kjfa-gantrisch.ch
www.kjfa-gantrisch.ch
Im Rahmen von Workshops zur Planung und Durchführung von Veranstaltungen werden Jugendliche von Fachpersonen der KUFA ausgebildet (u.a. alkoholfreie Drinks mixen, Licht-Shows programmieren etc.). Das Gelernte kann von den Jugendlichen direkt in der Umsetzung von Veranstaltungen, welche in der KUFA stattfinden und von der Kinder- und Jugendfachstelle Lyss und Umgebung begleitet werden, angewandt werden.
Mühleplatz 8
3250 Lyss
032 387 85 55
jugendfachstelle@lyss.ch
www.kjfs-lyss.ch
Die Räumlichkeiten des ehem. Jugendtreffs JUKA konnten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen für private Anlässe gemietet werden. Die Nutzung der Räumlichkeiten wurde durch einen Vertrag geregelt, welcher anderen OKJA-Fachstellen als Vorlage für eigene Verträge dienen kann. Dieser kann bei der Fachstelle rekja oder bei der FGS Verband voja (info@voja.ch) angefragt werden.
Sandstrasse 5
3302 Moosseedorf
076 423 61 09
moosseedorf@rekja.ch
www.rekja.ch