Während der COVID-19-Pandemie ist das Thema der psychischen Gesundheit stark in den Fokus der Gesellschaft gerückt und vielen Menschen ist (erneut) bewusst geworden, dass Pflege und Schutz der Psyche für ein gesundes Leben essentiell sind. Das vorliegende Issue gibt einen kurzen Einblick in die aktuelle (Daten-)Lage zur psychischen Gesundheit in der Schweiz. Darüber hinaus ist es Ziel des Issues die Handlungsspielräume der OKJA im Kanton Bern in Hinblick auf die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Gesundheitsförderung und Prävention) sowie ihre Unterstützungsleistungen (Triage) aufzuzeigen.
Knapp 17 Prozent der Schweizer Bevölkerung leiden an psychischen Störungen (wie z.B. Angststörungen, Depressionen, Störungen des Sozialverhaltens) oder Erkrankungen unterschiedlicher Ausprägung (Schuler und Burla 2012). Viele psychische Störungen treten dabei schon früh im Leben auf. Im Kindesalter geht man global von 10 bis 20% Betroffenen aus (Kieling et al. 2011). Für die Schweiz gibt es keine nationalen Daten, aber Hinweise von verschiedenen Studien, dass die Anzahl der Betroffenen ähnlich hoch ist (von Wyl et al. 2017). Typische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind Angststörungen, Depressionen und Störungen des Sozialverhaltens. Man geht zudem von einer grossen Diskrepanz zwischen der Anzahl an Kindern und Jugendlichen in Behandlung und der tatsächlichen Anzahl an Betroffenen aus (Green et al. 2013). Dies hängt einerseits mit einer unzureichenden Identifikation der Problematik und andererseits mit einer Unterversorgung an ambulanten und stationären Behandlungsplätzen zusammen (ebd.).
Unbehandelte psychische Störungen können für Erwachsene, aber auch für Kinder und Jugendliche, langfristige Folgen haben. Für Letztere gibt es nachweislich einen Zusammenhang zwischen eingeschränkten schulischen Entwicklungen / Schulmisserfolgen und psychischen Störungen (Schulte-Körne 2016).
Bei Kindern und Jugendlichen sind psychische Probleme oft schwer zu erkennen. Um Jugendliche, Eltern und Fachpersonen für die psychische Gesundheit zu sensibilisieren, haben die ZHAW-Institute für Gesundheitswissenschaften und Angewandte Psychologie - finanziert durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) - in einem gemeinsamen Forschungsprojekt Flyer und Broschüren (z.B. für Jugendliche, Eltern) erarbeitet und 2020 veröffentlicht. Hier finden sich auch hilfreiche Informationen und Anhaltspunkte für die OKJA.
Laut World Health Organization (WHO) umfasst die psychische Gesundheit Aspekte wie Wohlbefinden, Zufriedenheit, Selbstbewusstsein, Beziehungsfähigkeit, Alltagsbewältigung und Arbeitsfähigkeit. Psychisch gesund fühlt sich eine Person, wenn sie ihre intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten ausschöpfen, die alltäglichen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und in der Gemeinschaft einen Beitrag leisten kann (WHO 2003: 7).
Die Definition der WHO nimmt Bezug auf interne Faktoren, welche für die psychische Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Diese ist jedoch durch einen dynamischen Prozess gekennzeichnet, welcher darüber hinausgeht und durch die vielschichtige Wechselwirkung zwischen internen und externen Faktoren (äussere Gegebenheiten, wie bspw. das soziale Netzwerk) bestimmt wird (Gesundheitsförderung Schweiz 2016: 16). Des Weiteren haben Intensität und Dauer der Einwirkung der unterschiedlichen Faktoren Einfluss auf den Gesundheitszustand einer Person (ebd.).
Interne und externe Faktoren, welche die psychische Gesundheit einer Person belasten, sind als «Risikofaktoren» zu verstehen, wogegen jene Faktoren, die schützend und fördernd auf die psychische Gesundheit einwirken, als «Schutzfaktoren» (Ressourcen) beschrieben werden (ebd.). Sowohl Schutz- als auch Risikofaktoren geben wichtige Anhaltspunkte für gesundheitsfördernde und präventive Ansätze bzw. Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die OKJA kann Kindern und Jugendlichen u.a. ermöglichen Selbstwirksamkeit zu erfahren, zu partizipieren, Teil eines Ganzen zu sein sowie Informationen und Fachwissen zu erhalten. Auch bei der Früherkennung kommt der OKJA eine wichtige Rolle zu, indem sie bei Bedarf und in Absprache mit den Betroffenen triagieren kann.
Abb.: Wechselwirkungen interner und externer Schutz- und Risikofaktoren (in Anlehnung an: Gesundheitsförderung Schweiz 2016: 16 )
Im Kontext der «psychischen Gesundheit» ist die Gesundheitspolitik zentral. Mithilfe der Strategie «Gesundheit2020» strebt der Bundesrat u.a. die Förderung der psychischen Gesundheit sowie Verbesserungen auf dem Gebiet der Vorbeugung und Früherkennung psychischer Krankheiten an, um die Zahl der psychischen Erkrankungen in der Schweiz zu reduzieren (BAG: Psychische Gesundheit und psychiatrische Versorgung).
Für die Umsetzung konkreter Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit oder zur Prävention psychischer Krankheiten sind die Kantone weitestgehend selbst verantwortlich und bereits in unterschiedlichem Masse aktiv (Gesundheitsförderung Schweiz 2015: 4). Bedarf für den weiteren Ausbau von Massnahmen auf nationaler Ebene gibt es in den folgenden vier Handlungsfeldern:
Nebst der Gesundheitspolitik ist beim Thema «psychische Gesundheit» auch die Gesellschaftspolitik wichtig. Hierzu gehören alle politischen Massnahmen, welche der Formung und Beeinflussung (z.B. Entgegenwirkung von Diskriminierungen gesellschaftlicher Einzelgruppen einer Gesellschaft) dienen, z.B. Enttabuisierung von psychischer Krankheit, Sensibilisierung und Früherkennung.
D.h. auch, dass Kindern und Jugendlichen niederschwellige Beratungsstellen zugänglich gemacht werden, Hemmschwellen stark herabgesetzt werden und das Stigma von psychischen Krankheiten abgebaut wird (Gesundheitsförderung Schweiz 2020). Jugendliche und Kinder sollen in einer Gesellschaft aufwachsen können in der neben einem hohen Leistungsdruck auch Akzeptanz für all diejenigen vorhanden ist, welche Mühe haben mit den Leistungsanforderungen oder an psychischen Problemen erkrankt sind.
Um gerecht verteilte Entwicklungschancen zu garantieren ist es zwingend, dass freie Zugänge zur Behandlung und gleiche Qualität bei der Behandlung psychischer Probleme für alle geschaffen werden. Dadurch können Folgekosten verhindert werden, welche bei chronischen psychischen Krankheiten in der Kindheit auftreten (Currie et al. 2010, Delaney und Smith 2012).
Durch den direkten Zugang zu Kindern und Jugendlichen, der wohlwollenden und gesundheitsfördernden Haltung, wie auch der präventiven Wirkung, hat die Arbeit der OKJA im Bereich der psychischen Gesundheit vielfältiges Potential.
Die OKJA fördert:
Durch das Schaffen eines Bewusstseins für psychische Gesundheit sowie deren Enttabuisierung und das Ansprechen von Problemen, kann die OKJA einerseits frühzeitig intervenieren (Früherkennung) und andererseits eine Triage-Funktion einnehmen, indem sie Unterstützungsangebote kennt und vermittelt.
Es ist wichtig, dass sich die Fachpersonen der OKJA über die Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bewusst sind. Dabei geht es darum, eine Balance zwischen Erkennen und Ernstnehmen auf der einen und einer übermässigen Pathologisierung auf der anderen Seite, zu finden.
Die Wahl von geeigneten Hilfestellungen bei Anliegen und Problemen erfordert ein sorgfältiges Vorgehen. Transparente Aushandlungsprozesse mit den Kindern und Jugendlichen sowie den Vorgesetzten und Fachpersonen sind wichtig, um Möglichkeiten abzuwägen und das Vorgehen zu besprechen. Es ist zentral, dass sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen in Bezug auf die Handlungskompetenzen mitgeteilt werden sowie die Einhaltung der Vorgaben des Datenschutzes (vgl. Verband voja 2013) sichergestellt wird.
Die OKJA ist in der Pflicht, im Bereich der Früherkennung, Prävention und niederschwelligen Intervention ihrem Auftrag nachzukommen. Jedoch gibt es klare Abgrenzungen zu anderen Professionen, bspw. der psychotherapeutischen und psychiatrischen Beratung. Eine Herausforderung kann darin bestehen, professionelle Grenzen als solche zu erkennen. OKJA-Mitarbeitende haben keinen therapeutischen Auftrag, können aber als wichtiges Bindeglied zwischen Fachstellen und Kindern / Jugendlichen fungieren (Triage). Die Fokussierung auf Projekte, welche die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen effektiv fördern, gehört zum Auftrag der OKJA und hilft dabei, die Sensibilisierung für das Thema voranzutreiben.
Die offene Kinder- und Jugendarbeit fördert durch Freizeitangebote, Beratung und eine offene Haltung die körperliche und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Sie zielt dabei auf Selbstbestimmung und -wirksamkeit, um die persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen zu stärken.
Darüber hinaus schafft und erhält die OKJA gesundheitsfördernde Lebensbedingungen, indem sie ein besonderes Gewicht auf die gemeinschaftliche Gestaltung der Lebenswelt im Umfeld des Lernens, der Arbeit und der Freizeit legt.
Des Weiteren leistet die OKJA einen wichtigen Beitrag bei der sozialen Integration von vulnerablen Personen. Sie stärkt Kinder und Jugendliche, die unter psychischen Einschränkungen leiden und unterstützt Familien, die davon betroffen sind. Dabei stellt die Früherkennung einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit der OKJA dar, indem risikobehaftete Beziehungen oder Verhaltensweisen wahrgenommen werden und bspw. durch die Vermittlung an Triage-Partner*innen ein Veränderungs- und Entwicklungsprozess angestossen werden kann.
Die Sozialisation innerhalb eines förderlichen Lebensumfelds ist wichtig, damit Kinder und Jugendliche sich psychisch gesund entwickeln können. Die OKJA hat die Möglichkeit, mittels Beziehungsarbeit Werte und Kompetenzen zu vermitteln und somit einen positiven Einfluss auf das soziale Umfeld von Kindern und Jugendlichen zu nehmen.
*Verordnung über die Angebote zur sozialen Integration, Kanton Bern (ASIV)
Die Fachstellen des toj sind für Kinder und Jugendliche via Telefon, WhatsApp oder Instagram erreichbar und bieten bei Frust, Stress und Sorgen niederschwellig Hilfe an.
David Fürst
david.fuerst@toj.ch
079 771 25 97
079 688 52 46 (Frustfon)
Die Jugendarbeit Bödeli stellt Jugendlichen Kameras zur Verfügung, mit denen sie Bilder ihrer Lebenswelten aufnehmen können. Gemeinsam werden diese Bilder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Projekt hat zum Ziel, Jugendliche dabei zu unterstützen sich mit ihrer Lebenssituation auseinanderzusetzen und den Erwachsenen die Sicht der Jugendlichen näher zu bringen.
Fritz Hutmacher
fritz@jabinfo.ch
033 823 10 69
Echtzeitübertragung eines virtuellen Austauschs (via Instagram) zwischen Jugendlichen zum Thema «Psychische Gesundheit». Dabei werden sie von Jugendarbeitenden begleitet.
Julia Niederberger
julia.niederberger@okjaniesen.ch
www.okjaniesen.ch
www.instagram.com/okjaniesen
In Zusammenarbeit mit dem Verband Kinder- und Jugendförderung okaj Zürich stellt «UND DU SO?» Workshops und einen «Methoden-Pool» zum Thema «psychische Gesundheit» für Jugendarbeitende bereit. Zudem werden auf der Webseite der Kampagne Jugendliche direkt angesprochen und mittels Tipps und Infos sensibilisiert.
Claudia Weber
Projektleiterin
Hafnerstrasse 60
8005 Zürich
claudia.weber@okaj.ch
044 366 50 14
www.okaj.ch
Ein Werkzeugkasten für Jugendliche, die aktiv mit Herausforderungen umgehen wollen. Ein Gemeinschaftsprojekt der Departemente Angewandte Psychologie und Gesundheit, finanziert durch das BAG, 2020.
Link
Departement Gesundheit
Katharina-Sulzer-Platz 9
Postfach
8401 Winterthur
fgw.gesundheit@zhaw.ch
Das Projekt SOLE hat zum Ziel, in einer ausserschulischen Lernumgebung mit einer intensiveren und individuelleren Betreuung die überfachlichen Kompetenzen ausgewählter SuS zu fördern. In einer klassenübergreifenden Kleingruppe von max. 8 bis 10 Kindern können diese Kompetenzen während 6 bis 12 Wochen bei verschiedenen Aktivitäten wie Feuer machen, kochen, entdecken, forschen oder beim Spiel ausprobiert und gefördert werden. Zusätzlich werden zusammen mit den Projektleitenden in Gesprächen vor Ort das Verhalten reflektiert und Ziele erarbeitet.
Das Projekt SOLE hat auch zum Ziel, schulinterne Massnahmen zu kreieren, um externe Timeout-Platzierungen zu vermeiden.
Daniel Werder
Standortleitung Brügg
Daniel.Werder@bruegg.ch
www.kjfs-lyss.ch
Olivia Hofer
olivia.hofer@bruegg.ch
079 238 79 40
Die Fachstelle «feel-ok.ch» stellt Schulen und der offenen Kinder- und Jugendarbeit eine Reihe von Methoden zur Förderung der psychischen Gesundheit zur Verfügung.
«Multithematisch»
«Abenteuerinsel» (Start Sommer 2021)
Leitung feel-ok.ch
padlina@radix.ch
078 862 27 79
Über psychische Gesundheit zu sprechen lohnt sich! Die Kampagne «Wie geht’s Dir?» sensibilisiert dafür und vermittelt ganz konkrete Tipps.
Link
Leitung Kampagnenbüro
n.schwendener@promentesana.ch
044 446 55 00