Im Fokus steht bei diesem Issue das Planen und Bauen von kinder- und jugendgerechten Freiräumen sowie die Rolle der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (OKJA) als Partnerin bei der Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei Bauvorhaben in der Gemeinde. Freiräume meinen hier für Kinder und Jugendliche frei zugängliche Plätze und Räume wie zum Beispiel Spielplätze, Pausenplätze, öffentliche Plätze, Quartier- oder Dorfplätze und Brachen. Kinder- und jugendgerechte Freiräume steigern die Attraktivität für Familien und sind somit ein wichtiger Standortvorteil. Eine Investition in kinder- und jugendgerechte Freiräume ist deshalb auch eine Investition in die Zukunft.
In Zeiten von Verdichtung, verkehrsdominierten Strassen sowie monofunktionalen Wohnsiedlungen steigt der Nutzungsdruck auf die raren Freiräume (Kemper / Roggo 2022, S. 8). Kinder und Jugendliche stellen vielfältige Bedürfnisse an Freiräume. So sollen kinder- und jugendgerechte Freiräume Bewegen und Austoben, Erleben und Beobachten, Gestalten und Bauen, Treffen und Begegnen sowie Ruhe und Rückzug ermöglichen. Ebenso ist eine naturnahe, vielfältige und veränderbare Gestaltung Voraussetzung (Fachstelle Spielraum 2013, S. 3f.).
Kinder- und jugendfreundliche Freiräume sind sicher erreichbar und erlauben einen möglichst selbstbestimmten und konsumfreien Aufenthalt. Sie werden gemeinsam geplant und gestaltet und berücksichtigen geschlechtsdifferente Aspekte. Weitere Merkmale kinderfreundlicher Freiräume sind ein hohes Mass an Veränderbarkeit und Gestaltbarkeit sowie multifunktionale Nutzbarkeit. Sie sind vernetzt, attraktiv und erlebnisreich, haben Identität und Atmosphäre durch Beachtung der lokalen Gegebenheiten (Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend Rheinland Pfalz 2004, S. 158-165; Kemper / Roggo 2022, S. 50).
Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Freiraumentwicklung
Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist aus unterschiedlichen Gründen von Bedeutung und ist als international gültiges Grundrecht in der UN-Kinderrechtskonvention (UN 1989) verankert. Die Schweiz hat sich dieser Übereinkunft 1997 verpflichtet. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind aufgrund ihrer Minderjährigkeit von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Alternative Beteiligungsverfahren, wie Partizipation in Gemeindeprojekten, stellen eine Möglichkeit dar, junge Menschen frühzeitig in das demokratische System einzubinden und sie am Diskurs und Dialog direkt zu beteiligen. Durch reale Erfahrungen der Beteiligung in Form von Mitwirkung und Mitentscheidung erleben Kinder und Jugendliche, dass ihr Recht auf Beteiligung in der Gemeinde ernst genommen wird und dass sie Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung des Gemeinwesens haben (Olk / Roth 2007; Huber / Fabian 2015, S. 31).
Daneben eröffnet die Partizipation von Kindern und Jugendlichen wertvolle Entwicklungschancen auf individueller wie kollektiver Ebene: Mit dem verstärkten Einbezug von Kindern und Jugendlichen in für sie relevante Entscheidungsprozesse wird die Bedeutung unterstrichen, die das Bilden einer Meinung, das Einstehen und Debattieren für diese Meinung und das Aufgeben von Teilen des eigenen Standpunktes zugunsten eines gemeinsam getragenen Kompromisses in einer Demokratie haben. Dabei werden zudem unterschiedliche Rollen erprobt und Begegnungen zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen möglich, die nicht an den Grenzen von sozialer Herkunft, Geschlecht oder kultureller Verortung haltmachen. So können die Kinder und Jugendlichen Selbstwirksamkeit erfahren und konkret erleben, wie sie selbst Verantwortung für ihr jetziges und zukünftiges Umfeld übernehmen können (Fabian et al. 2014).
Rolle der OKJA
Der OKJA stehen diverse Methoden (siehe Projektphasen & Beteiligungsmomente, Seite 5) zur Verfügung, um partizipative Prozesse mit Kindern und Jugendlichen zu gestalten. Dabei geht es darum, die Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, ihre Wahrnehmungen, Bilder und Interpretationen der eigenen Lebenswelt auszudrücken und die Ergebnisse zu dokumentieren, diese mit ihnen zu diskutieren und von einer Alltagssprache in eine Fachsprache zu «übersetzen» und sie damit für den Aushandlungsprozess mit den Entscheidungsträger*innen (z. B. Politik, Verwaltung, Planende) aufzubereiten (Huber / Fabian 2015, S. 31).
Die Mitarbeitenden der OKJA sind aufgrund ihres breiten Wissens in den Bereichen Projektmethodik und Partizipation, ihrer umsetzungsorientierten Kompetenzen, ihrer animatorischen Fähigkeiten und ihres fundierten Praxisbezugs hervorragend darauf vorbereitet, partizipative Prozesse im Rahmen von Freiraumentwicklungsprojekten durchzuführen sowie die Anliegen der Kinder und Jugendlichen in Gremien zu artikulieren und zu vertreten. Sie sind dazu aufgefordert zwischen der Politik und Verwaltung auf der einen und den Kindern und Jugendlichen auf der anderen Seite zu vermitteln und sie zu Beteiligten zu machen (Huber / Fabian 2015, S. 31).
Die Mitarbeitenden der OKJA sind gut vernetzt und erreichen mit ihren niederschwelligen Angeboten und Projekten verschiedene Menschen. So kann die OKJA beispielsweise auch die Teilnahme von Personen, die von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind, mittels informeller Prozesse fördern.
Die Mitarbeitenden der OKJA müssen als lokal handelnde Akteur*innen ihre Rolle verdeutlichen und stärken sowie die eigenen Stärken und Kompetenzen explizit ausweisen. Nur so ist eine Kollaboration mit Fachplaner*innen (Landschaftsarchitektur, Architektur, Raumplanung) möglich (Gillich 2002, S. 11). Hierbei geht es auch darum, «sich in kritischer Distanz zu den Planungsverantwortlichen aufzuhalten; d.h., Planungsideale auf ihre Grundlagen und empirischen Fakten hin zu hinterfragen, um damit das Problembewusstsein derjenigen, die Entscheidungen treffen, zu erhöhen» (Klöti et al. 2013, S. 23).
Gelingensbedingungen der OKJA
Damit die Mitarbeitenden der OKJA ihrer Rolle gerecht werden können und ihre Arbeit gelingt, sind folgende Bedingungen notwendig:
Planungskriterien
Während eines Beteiligungsprozesses sind diverse Punkte zu bedenken, die hier in Form von Planungskriterien (Kemper / Roggo 2022, S. 51) festgehalten werden:
Empowerment und Teilhabe (Kemper / Roggo 2022 S. 35-39): Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist für den gesamten Planungsprozess verbindlich geregelt und in der Verwaltung verankert (z.B. Vereinbarung). Sie wird durch geschulte Fachpersonen begleitet, welche Kinder und Jugendliche altersgerecht unterstützen und Eigeninitiative, Selbstorganisation und Selbstverantwortung bei eigenen Themen und Projekten fördern.
Kontinuität und Offenheit (Kemper / Roggo 2022, S. 40f.): Die Freiraumqualität wird regelmassig überprüft und weiterentwickelt. Dafür steht ein finanzielles Budget zur Verfügung. Auch selbstinitiierte Projekte mit positiver Wirkung werden unbürokratisch unterstützt und Potenziale von Zwischennutzungen genutzt.
Dialog und Kooperation (Kemper / Roggo 2022, S. 42f.): Die Planungsbehörde realisiert bei eigenen Projekten attraktive Freiräume mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und berät Eigentümerschaften.
Koordination und Ganzheitlichkeit (Kemper / Roggo 2022, S. 44f.): Attraktive Freiräume werden in der Verwaltung als Querschnittsthema behandelt. Sie werden interdisziplinär bearbeitet und es gibt eine Kultur des Austauschs.
Strategie und Verbindlichkeit (Kemper / Roggo 2022, S. 46-49): Kinder- und jugendgerechte Freiräume werden mit klar definierten Kriterien für Freiraumqualität und Planungsprozesse verbindlich geregelt und verankert. Die Verfügbarkeit und die Qualität kinder- und jugendgerechter Freiräume werden in strategischen und projektbezogen Planungsinstrumenten gesichert.
Projektphasen und Beteiligungsmomente
Bei Partizipationsprojekten kommt der kontinuierlichen Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten (Planende, Vertreter*innen OKJA, Kinder & Jugendliche, Vertretende Politik / Bauherrschaft, ggf. Schule) eine zentrale Rolle zu. Diese gilt es über alle Projektphasen hinweg und in alle Richtungen zu gestalten.
Abläufe von Bauvorhaben laufen typischerweise nach den sechs Phasen des Leistungsmodells des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) ab (https://planerwissen2go.com/2019/04/08/planungsphasen-nach-sia-102/). Die sechs Phasen sind folgende: 1 Strategische Planung, 2 Vorstudien, 3 Projektierung, 4 Ausschreibung, 5 Realisierung, 6 Bewirtschaftung.
In der Phase «Strategische Planung» ist es wichtig, die notwendigen finanziellen Mittel für den Partizipationsprozess zu berücksichtigen und Beteiligungsmomente festzulegen sowie die Partizipation zu verankern. Typischerweise wirken Kinder und Jugendliche in den Phasen «Projektierung», «Realisierung» und «Bewirtschaftung» mit. Es ist aber auch möglich, dass eine Mitwirkung in Form einer Bedarfsanalyse bereits vor der ersten Phase stattfindet. Dies ist der Fall, wenn ein Projekt «bottom-up» lanciert wird und die Ergebnisse aus einer Bedarfsanalyse erst ein Projekt auslösen.
Für die konkrete Mitwirkung in der Projektierungsphase sind vielerlei Methoden zur Bedarfsanalyse anwendbar. Diese haben alle zum Ziel, den Bedarf aus Sicht der Kinder und Jugendlichen zu klären. Hierbei eignen sich die Methoden Begehungen, Befragungen, Modellbau, Autofotografie und Zeichnungen (Fabian et al. 2016, S. 38-65). Die aus diesen Erhebungen abgeleiteten Bedarfe werden im weiteren Prozess in der Planung berücksichtigt. In Form einer oder mehrerer Rückspiegelungen wird verifiziert, dass die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen angemessen von den Planungsfachpersonen aufgenommen und umgesetzt wurden.
In der Phase «Realisierung» besteht die Möglichkeit der Beteiligung in Form von konkreten Momenten des «Mitwirkens», also z.B. Bepflanzen oder Mitbauen (Fabian et al. 2016, S. 66-69). Dies stärkt die Identifikation der Kinder und Jugendlichen für den entsprechenden Raum und beugt Vandalismus vor (Fachstelle Spielraum 2013, S. 4).
In der Phase «Bewirtschaftung» können Kinder und Jugendliche einbezogen werden, indem einzelne Themen (z.B. Nutzung, Zugänglichkeit, Öffnungszeiten, Regelungen, Unterhalt) partizipativ gestaltet werden und auch immer wieder Raum für Veränderung und Aneignung angeboten wird.
Integration: Die Integration von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in das Gemeinwesen wird gefördert, da die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen beim Planen und Bauen ermöglicht wird und somit Identifikation mit dem Gemeinwesen und der direkten Umgebung entstehen kann.
Sozialisation: Die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden angeregt, sich mit unterschiedlichen Gegebenheiten, Vorstellungen, Normen und Werten (auch der eigenen) auseinanderzusetzen. Sie entwickeln dabei Kompetenzen, die für die gesellschaftliche Teilhabe wertvoll sind.
Mitwirkung: Durch die Mitwirkung werden die Anliegen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgenommen und umgesetzt. Die Prozesse sind ergebnisoffen und animieren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene dazu, ihre Anliegen in geeigneter Form einzubringen und umzusetzen.
Stärkung der Kinder- und Jugendkultur: Ein kinder- und jugendgerechtes Planen und Bauen schafft ideale Voraussetzungen für jugendkulturelle Anliegen und Projekte, da die Vorstellungen der Zielgruppe von Beginn an berücksichtigt werden.
Kinder- und jugendgerechte Rahmenbedingungen: Kinder- und jugendgerechtes Planen und Bauen nimmt die Bedürfnisse dieser wahr und schafft somit Aufwachs- und Lebensbedingungen, die dem Bedarf von Kindern und Jugendlichen entsprechen.
DOK Impuls ist die Fachstelle für Spiel- und Lebensraum von Kindern des DOK. Sie vertritt die Interessen der Kinder im Bereich der Stadtplanung. DOK Impuls erstellt Bedarfsanalysen für Entscheidungsgremien, plant und führt Partizipationsprozesse mit Kindern durch und berät Fachgremien.
Haslerstrasse 21
3008 Bern
031 332 16 60
dok.impuls@spieleninbern.ch
www.spieleninbern.ch
Die Fachstelle begleitet die Umsetzung des Konzepts für eine kinderfreundliche Stadt. Ausserdem unterstützt sie städtische Planungsbehörden bei der kinder- und jugendgerechten Planung von Spielplätzen und Schulhaus-Aussenräumen. Die Fachstelle setzt sich für eine kinder- und jugendgerechte Stadtplanung ein.
Berner Generationenhaus
Bahnhofplatz 2
3011 Bern
031 321 69 10, chiara.nauer@bern.ch
031 321 60 44, mira.koch@bern.ch
www.bern.ch
Der Robi Rüfenacht ist ein Spielplatz und Quartiertreffpunkt in Rüfenacht, der für Kinder, Jugendliche und Familien im Quartier von grosser Bedeutung ist. Unter Einbezug der Quartierbevölkerung wurde der Platz umgestaltet und 2017 neu eröffnet. Die Identifikation mit dem Platz ist hoch, der Robi ist sehr gut besucht und Sachschäden sind kaum vorhanden.
Äusserer Stalden 3
3076 Worb
031 839 66 68
info@jugendarbeit-worb.ch
www.jugendarbeit-worb.ch
Instagram
Das Projekt (Mit-)Wirken beschäftigt sich mit der Partizipation von Kindern und Jugendlichen auf Verwaltungsebene, im Rahmen der Schulraumentwicklung in der Gemeinde Lyss. Das Ziel des Projektes ist, einen Beitrag zur Förderung und Verankerung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen auf Gemeindeebene zu leisten.
Mühleplatz 8
3250 Lyss
032 387 85 55
jugendfachstelle@lyss.ch
www.kjfs-lyss.ch
Die Fachstelle SpielRaum plant kindergerechte und generationenverbindende Freiräume. Dabei sind sie Ansprechpartnerin vom Entwurf bis zur Bauvollendung und einem späteren Pflegekonzept. Die diversen Projekte sind auf der Website einsehbar.
Quartiergasse 13
3013 Bern
031 382 05 95
info@spielraum.ch
www.spielraum.ch
Das Projekt fördert die nachhaltige Verankerung von Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei räumlichen Entwicklungsprojekten auf kommunaler Ebene. Dies geschieht durch die fachliche Stärkung und Befähigung von Fachpersonen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Pavillonweg 3
3012 Bern
031 300 20 55
welcome@doj.ch
www.doj.ch
Direktlink Participlace